Gustav Klimt. Jahrhundertkünstler.
Das Leopold Museum präsentiert den Wiener Star des Jugendstils
Im Rahmen des Themenjahres 2018 unter dem Titel „Schönheit und Abgrund“ widmen sich zahlreiche Ausstellungen in Wien den vier Protagonisten jener Epoche, die 1918 verstarben: Otto Wagner, Koloman Moser, Egon Schiele und Gustav Klimt sind die Leitfiguren vieler des Umbruchs und der Erneuerung, sie prägten das Kunstgeschehen und Wien um 1900 nachhaltig. Gustav Klimt vollzog auf künstlerischer Ebene eine höchst beeindruckende Wandlung, die ihn im wahrsten Sinn des Wortes zum „Jahrhundertkünstler“ werden ließ. Bis 4. November 2018 beleuchtet das Leopold Museum sowohl die künstlerische Laufbahn als auch das Leben und den Menschen Gustav Klimt in einer höchst sehenswerten Schau.
Ehre, wem Ehre gebührt
100 Jahre nach seinem Tod würdigt das Leopold Museum Gustav Klimt (1862–1918) mit einer spannenden Ausstellung, die in acht Themenbereichen mit rund 35 Gemälden, 90 Zeichnungen sowie zahlreichen Fotografien und Archivalien seine Schaffensphasen präsentiert.
Der Bogen spannt sich eindrucksvoll von Klimts Anfängen in der Gründerzeit, über seinen künstlerischen Paradigmenwechsel und die Ausbildung seines individuellen Stils, sowie seine Rolle als Leitfigur der Wiener Secession, bis hin zum Jugendstil in seiner eigenen und bis heute faszinierenden Spielart.
Die rege Tätigkeit Klimts als begehrter Porträtist der wohlhabenden Wiener Großbürger wird ebenso thematisiert, wie die erotischen und symbolträchtigen Frauendarstellungen, die unzähligen Landschaftsbilder und die so typischen Meisterwerke des Meisters.
Vom Historismus zum Jugendstil
Bevor Gustav Klimt als Kämpfer gegen die Kunst des Historismus auftrat, war er selbst Teil dieser sich auf klassische Traditionen berufenden Epoche. Klimt war für die naturalistische Ausschmückung der neuen Palais entlang der Ringstraße durch seine akademische Ausbildung prädestiniert. 1883 schlossen sich Gustav und sein Bruder Ernst Klimt, sowie Franz Matsch zur Ateliergemeinschaft „Künstler compagnie“ zusammen. Sie profitierten von der regen Bautätigkeit und erhielten zahlreiche Aufträge, wie etwa die Deckengemälde der beiden Treppenhäuser des Burgtheaters.
Als es in der Donaumonarchie zu kriseln begann, kam es auch zu einer kunstpolitischen Zäsur, die in der Gründung der Wiener Secession einen Höhepunkt fand. 1897 gründeten revoltierenden Künstler, darunter Koloman Moser, Carl Moll oder Alfred Roller, unter Klimts Präsidentschaft die Vereinigung bildender Künstler Österreichs – Secession. 1898 wurde nach den Plänen des Architekten Joseph Maria Olbrich mit dem Secessionsgebäude ein eigenes Ausstellungshaus errichtet. Der Leitspruch „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ über dem Eingang steht noch heute für den radikal liberalen Ansatz der Gruppierung. Als Sprachrohr der Secessionisten diente die Zeitschrift Ver Sacrum („Heiliger Frühling“), die von Größen wie Koloman Moser, Josef Hoffmann u. a. gestaltet wurde und zu der Gustav Klimt zahlreiche Illustrationen beisteuerte.
Zerwürfnisse und neue Inspirationen
1894 erhielt Gustav Klimt vom Unterrichtsministerium den Auftrag, für die Universitätsaula drei Deckengemälde sowie zehn Zwickelbilder zu entwerfen. Klimts präsentierte die drei monumentalen Werke – die Philosophie, die Medizin und die Jurisprudenz – zwischen 1900 und 1903 – und die Reaktionen der Kritiker und Professoren waren überwiegend vernichtend, da Klimt auf jede Verherrlichung der Wissenschaften verzichtete und stattdessen die triebgesteuerte Naturhaftigkeit in den Mittelpunkt rückte. Nach rund zehn Jahren heftiger Angriffe legte der Künstler 1905 den Auftrag nieder und zahlte dem Staat sein Honorar zurück.
Auseinandersetzungen führten 1905 zu einer Spaltung zwischen den sogenannten „Stilisten“, denen Klimt angehörte, und den „Realisten“ innerhalb der Secession. Der Grund war vorrangig die Öffnung der „Klimt-Gruppe“ hin zur Wiener Werkstätte, zur Kunstgewerbeschule, und Kooperationen mit dem Kunsthandel. Die Gruppe organisierte eine der bedeutendsten Ausstellungen ihrer Zeit, die Kunstschau von 1908, mit rund 900 Exponaten, die die Bedeutung angewandter Kunst hervorhob.
Um die Jahrhundertwende begannen Gustav Klimts regelmäßige Sommeraufenthalte am Attersee mit Emilie Flöge und ihrer Familie. Fern der Stadt im Umfeld vertrauter Freunde fand er zugleich Entspannung und Inspiration. Klimts Landschaftsbilder entstanden vornehmlich in der Natur, vereinzelt auch nach Fotografien oder Postkarten in seinem Wiener Atelier. Hierbei ging es dem Künstler um die Darstellung einer vom Menschen unabhängigen Natur, die eine ruhevolle Atmosphäre widerspiegelt. Die enge künstlerische, inspirierende und persönliche Beziehung Gustav Klimts zu Emilie Flöge findet sich auch in der Ausstellung wieder.
Gustav Klimt gilt auch als der Maler der Frauen, und die Palette der gemalten Frauentypen ist facettenreich: die erotisch-fetischisierte Frau, die dämonisierte Femme fatale, das allegorisch- mythisch aufgeladene weibliche Naturwesen und die idealisierte Gesellschaftsdame. Mit Letzterer machte er sich als Maler repräsentativer Porträts im Wien der Jahrhundertwende einen Namen.
Das Highlight der Ausstellung
Im Rahmen der Ausstellung treten erstmals zwei allegorische Monumentalwerke Klimts in einen Dialog: „Tod und Leben“ (1910/11, überarbeitet 1915/16) und „Die Braut“ (1917/18). Gustav Klimt setzte sich seit den Fakultätsbildern mit dem Kreislauf des Lebens auseinander. Beide Gemälde wurden von Klimt durch zahlreiche Zeichnungen vorbereitet. Zu seiner letzten Allegorie hat sich auch ein Skizzenbuch erhalten, das wertvolle Hinweise zum Entstehungsprozess gibt. Die expressionistischen Akzente dieser beiden Meisterwerke machen Gustav Klimt zum Wegbereiter der Moderne in Österreich, zusammen mit seinen Nachfolgern Oskar Kokoschka und Egon Schiele.
Die vielfältigen Fotos von Gustav Klimt, seiner Familie und seinen Freunden, sowie unzählige Briefe und Aufzeichnungen runden die Schau ab und erlauben den Besuchern einen Einblick in das Privatleben des Weltkünstlers. Besonders schön sind die Auszüge und Zitate an den Wänden. Man möchte fast meinen, Gustav Klimt selbst sprechen zu hören.
Mein Fazit: Im heurigen Themenjahr kommt man an Klimt ja nicht vorbei, man denkt bei jeder neuen Ausstellung: Was kann da noch Neues kommen? – Doch ein Jahrhundertkünstler wie Gustav Klimt hat wohl immer noch mehr zu bieten, das garantieren schon die unzähligen Werke, derer man sich nicht sattsieht und die jedes Mal neue Aspekte aufwerfen – oder einfach nur zum „Darin-Versinken“ einladen (so geht es mir beim Bild „Am Attersee“). Das Leopold Museum hat wieder eine spannende und professionelle Schau zusammengestellt, die man nicht versäumen sollte.
GUSTAV KLIMT
Jahrhundertkünstler
Website: https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/99/gustav-klimt
bis 04. November 2018
im
Leopold Museum
MuseumsQuartier Wien
Museumsplatz 1
1070 Wien
https://www.leopoldmuseum.org/de
Täglich geöffnet von 10.00 –18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr
Ab September – dienstags geschlossen
Regulärer Eintritt: € 13,- pro Person
Daten- und Bildquellen: Copyright © Leopold Museum.
Mit bestem Dank für die freundliche Unterstützung.
Titelbild: GUSTAV KLIMT, Am Attersee, 1900 © Leopold Museum, Wien.