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Die erkämpfte Republik – Ausstellung im Wien Museum

Die Ausrufung der Republik am 12. November 1918, Rudolf Konopa-Gemälde (c) Wien Museum

100 Jahre Erste Republik Österreich 1918 – 2018

2018 feiert die Republik Österreich einen runden Geburtstag: Am 12. November 1918 wurde die Erste Republik ausgerufen (damals noch unter dem Namen Deutsch-Österreich). Mehr als 100.000 Menschen erlebten die Verkündung vor dem Parlament auf der Wiener Ringstraße mit. Mehrere Ausstellungen widmen sich dem Jubiläum, so auch das Wien Museum Karlsplatz, das in der interessanten Fotoausstellung „Die erkämpfte Republik“ speziell die Jahr 1918 und 1919 anhand der Ereignisse in Wien beleuchtet. Sowohl die Errungenschaften als auch das Elend in den ersten beiden Nachkriegsjahren werden eindrucksvoll dokumentiert.

Von der Monarchie zur Republik in rasantem Tempo

Die erkämpfte Republik – Ausstellungsraum

Die Ausstellung verdeutlicht sofort, dass man nicht nur von großer Politik berichten will. Vielmehr geht es intensiv um das 1918 neue Medium Fotografie und die erstmal freie Presse jener Zeit, sowie um die Lebensumstände und Wahrnehmungen des „kleinen“ Mannes, der einfachen Leute jener Zeit. Das letzte Kriegsjahr, der Untergang der Habsburgermonarchie und die Gründung der Ersten österreichischen Republik sind in zahlreichen Fotodokumenten festgehalten, von denen viele zum ersten Mal gezeigt werden.

Die in zwölf Kapitel gegliederte Schau wird von Eindrücken verschiedener Zeitgenossen ergänzt. Journalisten, Schriftsteller, Politiker und Wissenschaftler wie z.B. Stefan Zweig, Joseph Roth und Sigmund Freud werden ebenso zitiert wie völlig unbekannte Menschen wie beispielsweise die Ziegelarbeiterin Marie Toth. Man kann fast fühlen, wie überfordert und zum Teil fassungslos die Zeitzeugen mit den tagtäglichen Veränderungen, dem rasanten Wandel und den daraus resultierenden Folgen waren.

Große Errungenschaft versus Nachkriegselend und Hunger

Der 12. November 1918 gilt als ein symbolisches Ereignis, das die komplexe und turbulente Gründungsgeschichte der österreichischen Republik auf einen einfachen Nenner bringt. Die Gründung und Verankerung dieser Republik ist jedoch keineswegs auf diesen einen Tag zu reduzieren. Vielmehr handelte es sich um einen monatelangen Prozess der Umgestaltung, Öffnung und Demokratisierung, der weit in das Jahr 1919 und teilweise bis in die 1920er Jahre hineinreichte. Eine lange und hart erkämpfte Republik… Einige Errungenschaften sollen hier nicht unerwähnt bleiben.

Freie Presse: Das Kriegsende bedeutete auch das Ende des k.u.k. Militär- und Propagandaapparats, der in der Kriegszeit mit eiserner Hand regiert hatte. Man wagte sich ab November 1918 wieder, öffentlich die eigene Meinung zu sagen, Kundgebungen zu besuchen  und zu organisieren, zu demonstrieren, Flugblätter zu verteilen und Zeitungen zu drucken – ohne Zensur.

Auch die Fotografen traten nach Jahren der Unterdrückung und Kontrolle mit neuem Selbstbewusstsein auf. Sie dokumentierten den verlorenen Krieg, die heimkehrenden Soldaten, Hunger und Not. Sie begleiteten aber auch die ersten Schritte der jungen Republik unter Karl Renner, den Wahlkampf während der ersten Parlamentswahl der Republik im Februar 1919, die erstmalige Beteiligung der Frauen an der Wahl, aber auch die internationalen Hilfslieferungen, die ins Land kamen. Die „freie Presse“ war geboren.

Die auflagenstärksten Printmedien waren jene mit den meisten Fotos, wie etwa das  „Interessante Blatt“ oder die „Wiener Illustrierte Zeitung“, die ein breites Publikum erreichten und die Straße, den öffentliche Raum, als bevorzugten Ort der Politik 1918/19 veranschaulichten.

Frauenwahlrecht:  „Heraus mit dem Frauenwahlrecht!“ Diese Forderung wurde bereits auf sozialdemokratischen Frauenkundgebungen vor dem Ersten Weltkrieg erhoben – vergebens.

Die Ausrufung der Republik am 12. November 1918, Foto Richard Hauffe (c) Wien Museum

Im Sog des politischen Umsturzes ging dann alles sehr schnell, die Konservativen gaben die Widerstände gegen die Gleichberechtigung an der Wahlurne auf. Im neuen Grundgesetz der Republik, das am 12. November 1918 beschlossen wurde, war auch das Frauenwahlrecht verankert. Tage später, am 16. November, wurden durch Kooption die ersten Frauen in den Wiener Gemeinderat aufgenommen.

8-Stunden-Tag: Erstmals vereinbarte man einen 8-Stunden-Tag schon 1889 im Bergbau – eine große Ausnahme zu jener Zeit. Als Provisorium für Fabriken wurde der 8-Stunden-Tag  1918 unter der Leitung des Sozialpolitikers und ersten Staatssekretärs für soziale Fürsorge, Ferdinand Hanusch eingeführt und mit der Gründung der Republik ab Dezember 1918 auch  gesetzlich verankert. Von den überlangen Arbeitszeiten bis zu 16 Stunden und Nachtschichten, z.B. zur Produktivitätssteigerung in Fabriken, waren im 19. Jahrhundert nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder betroffen. Diese Belastungen gehörten nun der Vergangenheit an.

Hungersnot und Elend

Der verlorene Krieg lastete schwer auf dem Land – man fühlte sich klein und im Stich gelassen nach dem Wegfall der Kronländer,  die Stimmung unter den Kriegsheimkehrern pendelte zwischen Niedergeschlagenheit und Revolutionsbereitschaft, schwere Hungersnöte plagten Wien, die Spanische Grippe, Tuberkulose und andere Krankheiten forderten auch noch nach Kriegsende viele Opfer. Dazu kamen die extreme Kohlennot, das Wohnungselend und die schlechte Gesundheitsversorgung. Zahlreiche internationale Hilfslieferungen und Kinderhilfsaktionen linderten die Situation zusehends.

Mitte 1919 hatte sich die politische Situation in Österreich einigermaßen stabilisiert, wichtige Entwicklungen standen aber noch an: der Beschluss einer neuen Verfassung, die Umsetzung wichtiger Sozialgesetze, der Aufbau eines neuen Heers, die Einlösung der  Bedingungen des Pariser Friedensvertrags oder die Festlegung der Grenzlinien, um nur einige Beispiele zu nennen.

Trotzdem machte sich 1919 erstmals zaghafte Hoffnung breit – eine Hoffnung, die – wie wir heute wissen – mit der Auflösung des Parlaments und der Gründung des Ständestaates 1933 unter Dollfuß, allerspätestens aber mit dem Anschluss an das Deutsche Reich 1938 und der damaligen Auflösung des Staates Österreich zerschlagen wurde.

Mein Fazit: Eine Ausstellung, die man als geschichtlich und politisch interessierter Österreicher nicht verpassen sollte, Zeitgeschichte hautnah, die die bis heute nachwirkenden  Folgen und Erfolge verständlich macht. Sehr gelungen und empfehlenswert! Vielen Dank!

 

Plakat_Die_erkaempfte_Republik (c) Wien Museum

Die erkämpfte Republik
1918/19 in Fotografien

Details unter https://www.wienmuseum.at/de/ausstellungen/aktuell/ansicht/die-erkaempfte-republik-191819-in-fotografien.html

im
Wien Museum Karlsplatz
1040 Wien

bis 3. Februar 2019
Geöffnet jeweils Dienstag bis Sonntag und Feiertag,
10.00 bis 18.00 Uhr.

 

Eintritt: Erwachsene: € 10,00 / ermäßigt € 7,00
Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre – Eintritt frei
Jeden ersten Sonntag im Monat für alle Besucher – Eintritt frei!

 

Weitere Ausstellungen und mehr zum Gedenkjahr 2018 bzw. zum Thema „100 Jahre Erste Republik“:

„Photo/Politics/Austria“ im mumok, bis 3. Februar 2019

„Aufbruch ins Ungewisse“ im neuen Haus der Geschichte (Eröffnung am 10. November  2018)

„Bruch und Kontinuität: Das Schicksal des habsburgischen Erbes nach 1918“ im Hofmobiliendepot, von 5. Dezember 2018 – 30. Juni 2019

„Die Stadt ohne Juden“ im Metro Kinokulturhaus, bis 30. Dezember 2018

 

Titelbild: Die Ausrufung der Republik am 12. November 1918, Rudolf Konopa – Gemälde ©  Wien Museum

Daten- und Bildquellen: © Wien Museum Karlsplatz.
Mit bestem Dank für die freundliche Unterstützung.

 



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