Oskar Kokoschka – Ausstellung im Leopold Museum Wien
Umfassende Retrospektive
Das Leopold Museum steht vorrangig für die Werke von Egon Schiele, sowie die Kunst und deren Künstler um 1900. Nach dem Jubiläumsjahr 2018 setzt das Leopold Museum mit der Ausstellung „Wien 1900 – Aufbruch in die Moderne“ wiederum hier an uns zeigt nahezu alle Größen dieser Ära. Doch damit nicht genug: Aus dieser Epoche gingen zahlreiche große Künstler hervor, die neue Wege suchten, neue Stile schufen und vertraten, neue Leidenschaften lebten. Einem der ganz Großen dieser Zeit widmet das Leopold Museum aktuell eine der bisher umfassendsten Schauen: Oskar Kokoschka (1886 – 1980). Die Ausstellung beleuchtet nicht nur sein Schaffen, sondern auch sein bewegtes, langes Leben.
Vom „Oberwildling“ zum angesehenen Wegbereiter in die Moderne
Rund 260 Exponate aus allen Schaffensperioden und –stätten (z.B. Wien, Dresden, Prag, London) hat das Leopold Museum – in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Zürich und in Austausch mit der Fondation Oskar Kokoschka in Vevey und dem Oskar Kokoschka-Zentrum in Wien – von dem einst als „Oberwildling“ bezeichneten Oskar Kokoschka zusammengetragen und somit eine der bisher umfassendsten Ausstellungen zu diesem Erneuerer auf die Beine gestellt. Nicht nur die künstlerische Vielseitigkeit wird beleuchtet, auch seine durch unzählige Fotos und Dokumente ergänzte Biografie hat es in sich, läuft sein Leben doch sozusagen parallel mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts und spiegelt die politischen und gesellschaftlichen Einflüsse wider. Der radikale Erneuerer gilt bis heute als Multitalent, er war als Maler, Zeichner, Druckgrafiker, Literat, Theatermacher und Dramatiker tätig, gilt bis heute als Humanist und überzeugter Europäer, wenngleich seine Einstellung zu Österreich von wechselhafter Beschaffenheit war. Beständig war hingegen sein Eintreten für gegenständliche, figurative Kunst – sein ganzes Leben lang. Dies prägte spätere Künstlergenerationen nachhaltig.
Expressionist, Migrant, Europäer
Oskar Kokoschka zählt zu den wichtigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Als Mitbegründer des Österreichischen Expressionismus, der – zugunsten einer gegenständlichen Ausdruckskunst – den um 1900 in Wien dominierenden Jugendstil überwand, ist er mit dem Pionier des Expressionismus Richard Gerstl, sowie mit Egon Schiele Hauptvertreter dieser Kunstrichtung.
Die Kokoschka-Retrospektive im Leopold Museum ist weitgehend chronologisch angelegt. Die Orte von Kokoschkas Schaffen stehen dabei im Zentrum: Wien, Berlin, Dresden, die zahlreichen Stationen seiner Reisejahre, Prag, seine Exilstadt London und letztlich Villeneuve am Genfer See, wo der Künstler ab 1953 die letzten drei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte.
„Kokoschkas Biografie liest sich wie ein Parallellauf durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts: von seiner Sozialisierung in der k.u.k. Monarchie über die beiden Weltkriege bis hin zum Wirtschaftswunder und der sich schrittweise formierenden Europäischen Gemeinschaft. Die Ausstellung macht nachvollziehbar, wie Kokoschka als wacher Zeitgenosse, dessen unstetes Leben ihn an die verschiedensten europäischen Orte führte, Anteil nahm an den politischen Geschehnissen des 20. Jahrhunderts und zu einem Vorkämpfer für ein friedvolles, antinationalistisches Europa wurde. Kokoschkas humanistische Haltung, die er in einer unverwechselbaren, an der Figuration festhaltenden Sprache zum Ausdruck brachte, begründet seine ungebrochene Relevanz.“ (Zitat – Heike Eipeldauer, Kuratorin der Ausstellung).
Die Ausstellung setzt mit den frühen Erfolgen Kokoschkas im Rahmen der Kunstschau 1908 ein. Früh wurde Kokoschkas Talent gefördert durch weitblickende Persönlichkeiten wie seinen Kunstgewerbeschule-Professor Franz Cižek, Gustav Klimt oder Adolf Loos. Es folgt ein Einblick in jene Werke Kokoschkas, die als Skandalauslöser gelten und seinen Ruf als „Oberwildling“ begründeten. Mit hochkarätigen frühen expressionistischen Bildnissen, die hinter die dekorative Fassade der bürgerlichen Gesellschaftsordnung blicken, wird sein Wirken als schonungsloser Porträtist der Kunst- und Geisteswelt seiner Zeit gezeigt. Seiner leidenschaftlichen Beziehung zur Komponistin Alma Mahler ist ein eigener Raum gewidmet. Die Ausstellung macht weiters den Wandel von Kokoschkas Frauenbild nachvollziehbar.
Die sich verschärfende weltpolitische Situation der 1930er-Jahren ließ die Kunst für Kokoschka zum politischen Botschaftsträger werden, er kämpfte stets für Frieden, Freiheit und Menschenrechte. Im Zweiten Weltkrieg als „entarteter Künstler“ diffamiert, davor und danach als Referenzfigur für die österreichische Identitätskonstruktion vereinnahmt, blieb Kokoschkas Verhältnis zu seiner einstigen Heimat ambivalent.
Die Nachkriegszeit und die Annäherung an Österreich, die schließlich zur Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1974 auf Initiative von Bundeskanzler Bruno Kreisky führte. stehen im Fokus des letzten Teils der Schau. Auch später, im von zwei Weltkriegen erschütterten Europa, wo gegenständliche Kunst in Verruf geraten war, setzte sich Kokoschka unerschrocken für die Anerkennung der figurativen Malerei ein und wurde so zum Vorbild für nachfolgende Künstlergenerationen.
Mein Fazit: Eine längst fällige Ausstellung zu diesem „Revolutionär“ der Wiener Moderne! Nicht nur künstlerisch, sondern auch biografisch interessant aufbereitet, beeindrucken sowohl das Werk als auch das von vielen Widrigkeiten geprägte Leben Oskar Kokoschkas, der sich davon jedoch nie aus der Bahn werfen ließ, sondern stets neue Chancen in den Veränderungen sah. Wer den Expressionismus mag, kommt sowieso nicht an dieser Schau vorbei. In jedem Fall sehr sehenswert!
OSKAR KOKOSCHKA
Expressionist, Migrant, Europäer
bis 08. Juli 2019
im
Leopold Museum Wien
Museumsquartier
Museumsplatz 1′
1070 Wien
https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/108/oskar-kokoschka
Öffnungszeiten:
Täglich: 10.00 –18.00 Uhr, donnerstags: bis 21.00 Uhr, dienstags geschlossen.
Juni, Juli, August: täglich geöffnet
Eintrittspreis:
Vollpreisticket: € 14,00
Daten- und Bildquellen: © Leopold Museum, https://www.leopoldmuseum.org/de
Mit bestem Dank für die freundliche Unterstützung.
Startfoto:
OSKAR KOKOSCHKA, Tre Croci – Dolomitenlandschaft, 1913 © Leopold Museum, Wien Foto: Leopold Museum, Wien/Manfred Thumberger © Fondation Oskar Kokoschka/Bildrecht Wien, 2019