Der Wiener Heurige – „Ausg’steckt is“
Den Wienern heilig, bei Besuchern beliebt
Heurige und Buschenschanken gibt es mittlerweile in allen österreichischen Bundesländern. Das Original findet man aber unbestritten in Wien. Keine andere Weltstadt verfügt über einen derart nennenswerten Weinanbau und die teilweise seit Jahrhunderten bestehenden Winzerhäuser in den früheren Wiener Vororten, die sich die Stadt mittlerweile einverleibt hat. Ob in Stammersdorf, Mauer, Jedlersdorf, Grinzing, Neustift, Heiligenstadt, Ottakring oder Oberlaa usw. – den Wienern ist ihr Heuriger heilig, und für Besucher gilt: Man hat Wien nicht gesehen, wenn man nicht beim Heurigen war.
Geschichte des Wiener Heurigen
Wahrscheinlich bauten schon die Kelten im Wiener Raum Wein an. Nachgewiesen ist, dass die Römer in Österreich, speziell bei römischen Lagern und Siedlungen wie Vindobona oder Carnuntum Wein für den Eigenbedarf und zur Motivation der Soldaten kultivierten. Unter Kaiser Probus (232 – 282 n.Chr.) wurden Weingärten angelegt und bebaut. Nach Ende der römischen Herrschaft blieb der Weinbau erhalten.
Im Mittelalter konzentrierten sich Klöster und Kirchen auf den Erhalt der Weingärten, die sie oft an die umliegenden Bauern verpachteten. Bereits unter Karl dem Großen (742 – 812) erhielten die Weinbauern das Recht, drei Monate im Jahr ihren Wein auszuschenken – aus dieser Zeit stammt auch die Tradition, einen Föhrenbuschen über dem Tor anzubringen, als Zeichen dafür, dass es Wein gab. Durch Einfuhrverbote und hohe Zölle erreichte der Weinbau bis zum 16. Jahrhundert seine größte Ausdehnung. 1784 erließ Josef II. erstmals ein Gesetz zum Schutz der Winzer.
1868 wurde dann per Schiff aus Kalifornien ein Feind eingeschleppt, der den Weinbau veränderte – die Reblaus vernichtete einen Großteil der Weinstöcke im Osten Österreichs. Erfolgreich bezwungen wurde das Untier durch das Veredeln der heimischen Sorten mit resistenten amerikanischen Unterlagsreben. Seit damals sind Wien, Niederösterreich und das Burgenland die Weinbauzentren Österreichs.
Der Wiener Heurige heute
Die Buschenschanken in den früheren Vororten rutschen in der sich ausdehnenden Großstadt immer mehr in Richtung Zentrum und verlieren dennoch kaum am dörflichen Charakter, der ja den Charme des Heurigen ausmacht. Winzer und Gäste legen zunehmend Wert auf Qualität beim Wein und den dazupassenden Schmankerln vom Buffet. Früher stand eher die Quantität im Mittelpunkt: Der junge Wein wurde in Doppler abgefüllt, was beim Gassenverkauf der Tagesration eines Einwohners entsprach. Die Heurigen lebten ausschließlich vom Weinverkauf, die Speisen wurden von den Gästen selbst mitgebracht. Erst 1887 wurde der Verkauf von Brot beim Heurigen zugelassen.
Und wo bleibt die Musik?
Die sog. „Schrammel-Musik“ ist untrennbar mit dem Heurigen verbunden. Die Brüder Johann und Josef Schrammel gründeten 1878 gemeinsam mit Anton Strohmayer und Georg Dänzer das „Schrammelquartett“ und kreierten die noch heute typische, melancholische Heurigenmusik, die genauso wenig wegzudenken ist, wie das Henkelglas (erfunden aus dem pragmatischen Grund, mit den vom Essen fetten Fingern das Glas nicht zu beschmieren) für das „Vierterl“ oder den „G’spritzten“.
Köstliche Heurigenschmankerl
Mit den Fingern kann man heute noch immer essen beim Heurigen, zum Beispiel das unverzichtbare Liptauerbrot, den Rollmops vom Buffet, die rustikalen Kabanossi oder das Brot mit Bratlfettn. Kalte saure Blunzen, Presskopf oder Geselchtes, begleitet von Senf- oder Salzgurken, Kren und Schwarzwurzelsalat, dazu ein Wachauerlaberl bilden die Grundlage zu dem einen oder anderen Glaserl Wein. Auch Warmes wird oft angeboten: Backhendl, faschierte Laibchen, gebratene Blunzen, Kümmelbraten und vieles mehr kann man beim Buffet bestellen. Für die „Zuckergoscherl“ gibt es Apfel- oder Topfenstrudel, Florentiner, Pischinger-Ecken und – unbedingt probieren – die würzigen Weinbeißer.
Die beste Zeit, um zum Heurigen zu gehen, sind für mich die Monate September und Oktober – zum „Altweibersommer“, wenn die Tage noch sommerlich und die Abende schon kühl sind, unter Kastanienbäumen zu sitzen, ein Glas Wein zu trinken, etwas Bodenständiges dazu zu essen und sich mit Freunden zu unterhalten, das hat schon was. Hier die schönsten Heurigen zu nennen, wäre vermessen – jeder hat seinen eigenen Charme und doch haben sie alle etwas gemeinsam: Vom Minister bis zum Hilfsarbeiter, vom Herrn Hofrat bis zur Putzfrau, vom hippen Szenegirl bis zum seriösen Beamten – hier saßen und sitzen sie alle einträchtig nebeneinander und genießen das gemütliche Flair des Wiener Heurigen – Demokratie pur auf Wienerisch.
Schönen Sommerausklang bei Ihrem Lieblingsheurigen in Wien!
Bildquellen: © Wien Tourismus, Karl Thomas; © www.kosta.at