Wiener Mehlspeisen und Wiener Kaffee – Teil 1
Die süßen Seiten Wiens
Mögen Sie Süßes? Ich wage zu behaupten, dass man in Wien Süßes nicht nur mag, sondern es liebt, was nicht verwunderlich ist. Schon die weltberühmte Wiener Kaffeehauskultur mit all ihren Spezialitäten beweist eine große Liebe zum Detail. Die entsprechende Vielfalt an Kuchen, Torten und weiteren Mehlspeisen gehört zum Kaffee wie das Amen zum Gebet.
„Mehl-Speise“ – ein allumfassender Begriff
Im „Universallexikon der Kochkunst“ aus dem Jahr 1890 versteht man unter dem Begriff „Mehl-Speise“ eine (Zitat) Menge verschiedenartiger, mit Hülfe von Mehl oder mehlartigen Bestandteilen wie Reis, Grieß, Nudeln, Semmeln oder dergl., bereiteter Speisen, namentlich die Aufläufe, Puddings, Strudel, Schmarrn, Eierkuchen, Dampfnudeln und dergl., welche in Formen oder diesselben entweder gebacken oder gekocht werden“.
– Wie auch immer die Erklärung lauten mag, Wiener Mehlspeisen lernt man am besten kennen, indem man sich durchkostet – von A wie Apfelstrudel bis Z wie Zwetschkenfleck.
Die Vorliebe der Wiener für Süßes bzw. das, was man in der Wiener Küche heute darunter besteht, hat Geschichte. Als sich die Monarchie noch weitläufig bis nach Siebenbürgen im Osten, Böhmen und Mähren im Norden, sowie Bosnien und Dalmatien im Süden erstreckte, landeten die kulinarischen Traditionen aller Völker in einem kaiserlich-königlichen Topf und kamen so in die Hauptstadt Wien. Die üppige Hofkultur des 18. Jahrhunderts beflügelte die Köche zur Erfindung vieler neuer Rezepte, die es bis heute gibt. Das Mehl wurde feiner gemahlen, hellere und lockere Teige entstanden. 1720 wurde in der Schweiz der Baiser entwickelt, in Frankreich der Brandteig, in Österreich der Biskuitteig – um die besten Mehlspeisen entstand ein wahrer Wettstreit, aus dem Paris, Budapest und Wien als unübertreffbare Sieger hervorgingen.
Original Sacher-Torte, Golatschen, Gugelhupf, Krapfen …
Unter den Wiener Mehlspeisen mit Weltruhm ist wohl die „Original Sacher-Torte“ an erster Stelle anzuführen. Um die tatsächliche Entstehungsgeschichte ranken sich mehrere Legenden, wollen doch einige Urheber diesen Klassiker für sich beanspruchen. Eine dieser Legenden besagt, dass der Staatskanzler Metternich 1832 den Auftrag gab, ein besonders wohlschmeckendes Dessert für hohe Gäste zu kreieren. Der Chefkoch lag krank im Bett, keiner wollte die Verantwortung übernehmen, so landete die Aufgabe beim 16-jährigen Lehrling Franz Sacher. Er erfand die flaumige Schokotorte mit doppeltem Boden, Marillenmarmelade und Schokokuvertürenglasur. Nach Ende seiner Lehrzeit bot er die Torte auch anderen Fürsten an und gelangte so zu Berühmtheit. Verfeinert von seinem Sohn Eduard Sacher, wird die Original Sacher-Torte seit 1876 im Kaffeehaus des gleichnamigen Hotels gegenüber der Wiener Staatsoper angeboten – keine Sorge, in (fast) allen Wiener Kaffeehäusern gibt es ebenfalls Sachertorte, ein wahrer Hochgenuss, ob ohne oder mit Schlagobers.
Die Golatschen (auch Kolatschen) gehen auf das tschechische Wort „kolac“ zurück, welches kleine Kuchen bezeichnete. Die Golatschen kommen also aus Böhmen. Während die böhmischen Golatschen ursprünglich mit Pflaumenmus gefüllte Germteigtaschen und die Karlsbader Golatschen mit Füllungen aller Art waren und sind, verwendet man in Österreich seit jeher vorrangig Topfen- oder Mohnfülle, der Germteig wird heute oft durch Plunderteig ersetzt, was dem köstlichen Kaffeehausgebäck aber keinen geschmacklichen Abbruch tut.
Der Gugelhupf entstand aus dem klassischen Napfkuchen und verdankt seinen Namen wahrscheinlich der kugelförmigen Kopfbedeckung, die früher von den Marktfrauen getragen wurde. Möglicherweise hat der Gugelhupf seinen Namen aber auch einfach aus der Tatsache heraus, dass der Germteig beim Aufgehen „wie eine Kugel aufhupft“. Je nach Teig- und Zubereitungsart unterscheidet man unter anderem zwischen Germgugelhupf, Marmorgugelhupf, Kaisergugelhupf und Biskuitgugelhupf, um nur ein paar der vielen Varianten aufzuzählen.
Krapfen gehören in Wien seit jeher zum Fasching, obwohl es mittlerweile fast das ganze Jahr über das gefüllte Schmalzgebäck gibt. Man nimmt an, dass die Krapfen bereits den Römern unter dem Namen „globuli“ (Kügelchen) bekannt waren. In Wien kennt man Krapfen nachweislich seit dem 17. Jahrhundert. Angeblich wurden sie nach der legendären Kuchenbäckerin Cäcilia Craph benannt, die diese Spezialität besonders gut zubereitete. 1815 zum Wiener Kongress sollen mehr als 10 Millionen !! Krapfen in Wien gegessen worden sein. Damals reichten junge Mädchen ihren Kavalieren eine Hälfte des Gebäcks, was als Zeichen der Verlobung galt. Heute genießt man am liebsten den mit Marillenmarmelade gefüllten Krapfen, doch auch Kreationen mit Vanille-, Nougat- oder Erdbeerfüllung erfreuen sich wachsender Beliebtheit.
Süßes ohne Ende … und dazu Wiener Kaffee
Wahrscheinlich kann man allein über die Kuchen, Torten und das variantenreiche Kleingebäck Romane schreiben: Ob Esterhazy-Schnitte, Punschkrapferl, Nuss-Schnecke, Polsterzipf, Maronischnitte, Mohnbeugel, Cremeschnitte, Zwetschkenfleck, Biskuitroulade, Brandteigkrapferl, Obstkuchen oder Dobostorte – die Kreationen sind unzählig und köstlich, für jeden Geschmack findet sich Passendes.
Dazu bestellt man nicht einfach einen Kaffee – je nach Zeit, Lust und Laune hat man in Wien die Wahl aus einer Vielzahl an Kaffeevariationen. Allseits beliebt ist die „Wiener Melange“ (Mokka verlängert mit warmer Milch und Milchschaumhaube in großer Schale), gerne bestellt man auch einen kleinen oder großen Mokka bzw. mit Kaffeeobers einen kleinen oder großen Braunen, sowie einen Verlängerten Schwarzen oder einen Verlängerten Braunen. Cappuccino (mit Kakaopulver bestäubt, ansonsten wie Melange) und Caffè Latte (mit viel warmer Milch im hohen Glas) erfreuen sich die letzten Jahre steigender Beliebtheit. Doch es gibt noch viele weitere Kaffeespezialitäten, die es wohl nur in Wien gibt.
Lesen Sie mehr zu diesen meist üppigeren Kaffeekreationen im 2. Teil dieses Beitrages „Wiener Mehlspeisen & Wiener Kaffee“, der im Dezember erscheinen wird. Dann stelle ich Ihnen auch einige der typischsten und besten warmen Wiener Mehlspeisen und Desserts vor – perfekt für die kalte Jahreszeit, und vielleicht ist ja auch noch die passende Nachspeise zu Ihrem Weihnachts- oder Silvesteressen dabei.
Bis dahin – süße Genüsse mit Wiener Mehlspeisen, am besten in Ihrem Lieblingskaffeehaus in Wien!
Bildquelle – Sachertorte: © Hotel Sacher Wien, www.sacher.com