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Wiener Bier – Teil 1

Eine Erfolgsgeschichte

Ja, Sie lesen richtig – nicht Wiener Küche oder Wiener Wein, nein, das Wiener Bier soll diesmal die Hauptrolle spielen. Auch wenn heute Salzburg als DIE Bierstadt Österreichs gilt, und Wien mit seinen Heurigen eher mit Wein assoziiert wird, sollte man nicht übersehen, dass einerseits hier (und nirgendwo sonst) in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts Anton Dreher das weltweit berühmte „Wiener Lager“ erfunden hat, und dass andererseits die hochwertigen Biere der heutigen Zeit immer öfter feine Menüs begleiten. Das hat mich neugierig gemacht, und so habe ich mir das beliebte „Wiener Bier“ ein wenig genauer angesehen.

Eine Zeitreise

Wien war immer eine Weinstadt gewesen, doch auch die Geschichte des Brauereiwesens in Wien reicht bis ins Hochmittelalter zurück. Einer Bürgerverordnung aus dem Jahre 1212 ist zu entnehmen, dass Bier in Wien eingeführt werden durfte. Im Rahmen von Rechtsgeschäften zwischen dem Schottenstift und dem Stift St. Pölten im 13. Jahrhundert wurden Zeugen als „Prew“ oder „Praxator“ benannt, es wurde also Bier gebraut und auch ausgeschenkt, mit strengen Schankschlusszeiten, die durch die Bierglocke eingeläutet wurden. Noch heute hängt die 1772 gefertigte „Bieringerin“ im Stephansdom und ist Teil des Geläuts.

Bereits im 14. Jahrhundert gab es in Österreich Wirtshäuser, in welchen Bier ausgeschenkt wurde, und 1384 erstmals ein Wiener Brauhaus, das amtlich erwähnt wurde.

Wiener-Bierordnung-Preise-der-Bierausschank-1697-Copyright-Imagno-Austrian-Archives

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Die Bierbrauerei war streng reglementiert. Gebraut wurde meist außerhalb der Stadtmauern, meist in Mühlenbetrieben entlang des Wienflusses, später auch in Leopoldstadt. Das minimierte die Feuergefahr und erleichterte die Bierbesteuerung. Das Monopol des Bierbrauens in Wien besaß seit 1432 das Bürgerspital. Wenn es den Bedarf nicht erfüllen konnte, wurde Bier von auswärts zugekauft – und besteuert. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts. wurde bereits untergäriges Bier gebraut, und es  hatte sich auch schon die Verwendung von Hopfen bei der Biererzeugung durchgesetzt.

Besonders bemerkenswert waren bis zum 17. Jahrhundert die Entstehung der zahlreichen Brauereien und die Vielfalt der Biersorten. Allein das Sudhaus des Bürgerspitals stellte sechs unterschiedliche Biere her.

Mit der Verschiebung der Stadtgrenze vom Ring bis zum Gürtel wurde die Stadt in den folgenden Jahrzehnten auch gastronomisch erweitert. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden zahlreiche neue Brauereien mit Bierhallen und Biergärten in Neulerchenfeld, Ottakring und Fünfhaus, außerhalb des Gürtels, da dort die Verzehrsteuerlinie verlief. Die „Hoch-Zeit“ des Wiener Biers war gekommen.

Die Blütezeit

Wien-Besucher und Touristen haben heute meist folgende Fixpunkte am Programm: Schönbrunn, Stephansdom, Riesenrad, Hofburg und den „Heurigen“, wo man (angeblich) den „echten“ Wiener trifft. – Um 1840 sah die Sache noch ganz anders aus: Damals empfahl man dem „Ausländer, oder überhaupt dem Mann, der an der geselligen Harmonie, der anständigen Jovialität und der biederen Gutmütigkeit des Wieners zweifelt, die Bierhalle zu frequentieren, und er wird sich von der Eigentümlichkeit unserer Landsleute überzeugen“ (Zitat aus der biedermeierlichen Zeitschrift „Der Wanderer im Gebiete der Kunst und Wissenschaft, Industrie und Gewerbe, Theater und Geselligkeit“, lt. A la Carte Bookazine).

„Denglers Bierhalle“ in Fünfhaus (15. Wiener Gemeindebezirk), in der u.a. Joseph Lanner und Johann Strauss mit ihren Kapellen musizierten, war zu dieser Zeit ein beliebtes Ausflugsziel und Treffpunkt der Wiener. Das dort ausgeschenkte Bier kam aus der hauseigenen Brauerei von Johann Fritz Dengler, die dieser in der heutigen Gegend des Westbahnhofs führte. 

Anton_Dreher-1810-1863-Wikipedia

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Die Jahre um 1840 gelten als Zeit des Umbruchs in der Wiener Gastronomie und des Brauwesens.  Als die Geburtsstunde des wahren Wiener Biers gilt die Erfindung des Lagerbieres durch Anton Dreher. Der junge Mann war Brauereibesitzer in Klein-Schwechat und brachte 1841 das anfangs erwähnte „Wiener Lager“ auf den Markt – und revolutionierte damit die Welt der Biertrinker. Die Schaffung großer Eiskeller, die die lange kalte Nachreifung des Bieres auch im Sommer ermöglichten, die Einrichtung moderner Mälzereien zur gleichmäßigen Darrung der Gerstenkörner, sowie die gezielte Steuerung von Vergärungs- und Reifungstemperatur des Bieres waren die besten Voraussetzungen zum Brauen heller, bernsteinfarbener und klarer Biere.

Die Mitbewerber belächelten den „Neuen“ vorerst, doch mit der steigenden Einwohnerzahl in Wien (von ca.470.000 Menschen um 1840 auf ungefähr 2 Millionen Menschen um 1910) und der fortschreitenden Industrialisierung, auch bei der Bierherstellung, wurde der Gerstensaft zum leistbaren Konsumprodukt, das über viele Jahre preisstabil blieb, ganz im Gegensatz zum raren Wiener Wein, bei dem es aufgrund von  Rebkrankheiten und Schädlingsbefall zu Ernteausfällen kam, was den Preis in die Höhe trieb. Das Bier wurde zum Volksgetränk.

Neue Menschen – neue Vorlieben: Anstelle des tönernen Bierkruges setzten sich immer mehr die industriell gefertigten Biergläser durch. Plötzlich konnte man sehen, wie das Bier aussah. Je heller und klarer das Bier, desto beliebter. Darauf baute auch ein gewisser Josef Groll mit seinem „Pilsner Urquell“ auf, der noch hellere Biere als Dreher brauen konnte. Sie setzten sich auch in der Schwechater Brauerei gegen Drehers bernsteinfarbenes Lager durch. Heute kennen wir die goldgelben Variationen als „Helles“, „Märzen“ oder „Spezial“.

Schwechat-Brauerei-vor-1889-Wikipedia

Schwechat-Brauerei-vor-1889-Wikipedia

Die großen vorstädtischen Bierbrauer versorgten den Wiener Markt:  die Schwechater Brauerei, die Kuffners in Ottakring und – als größte im heutigen Stadtgebiet – die bis 1972 bestehende Brauerei Liesing (Kaiser Bier). Österreich wurde zu einem der bedeutendsten Bierexportländer. Österreichische Brauer waren es auch, die bei der Pariser Weltausstellung im Jahre 1867 große Erfolge zu verbuchen hatten. Österreich war endgültig auch zum Land des Bieres geworden.

Die kleinen Sudhäuser konnten dem Druck nicht standhalten.  Auch die Dengler’sche Brauerei in Fünfhaus musste den Hut nehmen. 1873 wurde die letzte Halbe Bier ausgeschenkt. Daran konnten auch die Musikabende mit Lanner und Strauß und sogar die vornehmen Neujahrskonzerte, die in der Bierhalle aufgeführt wurden, nichts ändern.

Beinahe-Stillstand und Wiedergeburt

Die beiden Weltkriege mit ihrer Rohstoffknappheit wirkten sich verständlicherweise nicht gerade förderlich auf die Vielfalt der Wiener Brauereien aus, auch die größeren Betriebe überdauerten die Kriegsjahre mehr schlecht als recht. In den 60er- und 70er-Jahren schlossen sich viele Brauereien zu Großbetrieben zusammen – was nicht immer mit einer Qualitätssteigerung einherging.

In den letzten 20 Jahren ist jedoch wieder ein Aufschwung spürbar, viele kleine Brauereien, Quereinsteiger und Enthusiasten haben dazu beigetragen, den Ruf des Biers in Wien wieder zu verbessern und damit sogar in die „Upper Gourmet-Class“ aufzusteigen.

Lesen Sie im Teil 2 über die heutigen großen Brauereien und die kleinen, feinen Biererzeuger Wiens, und finden Sie Tipps, wo Sie spezielle Biere aus aller Welt in Wien kaufen können.

Bis dahin: PROST!

Bild- und Datenquellen: ©IMAGNO Austrian Archives, Wikipedia, A la Carte Bookazine.



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