Olga Wisinger-Florian. Flower-Power der Moderne – Ausstellung im Leopold Museum
Kunstpionierin in einem männlich-dominierten Berufsfeld
Dass neben den vielen namhaften männlichen Künstlern der Jahrhundertwende und des beginnenden 20. Jahrhunderts auch zahlreiche kunstschaffende Frauen das Ausstellungsgeschehen und die Kunstszene jener Epoche prägten, hat die Ausstellung „Stadt der Frauen“, die bis 19. Mai 2019 im Unteren Belvedere Wien gezeigt wurde, eindrucksvoll aufgezeigt – siehe Blog dazu. Einer dieser besonderen Künstlerinnen widmet das Leopold Museum noch bis 21. Oktober 2019 eine eigene Ausstellung: Olga Wisinger-Florian war schon zum auslaufenden 19. Jahrhundert eine viel beachtete und anerkannte Malerin, die in höchsten Kreisen mit ihren Werken punktete. Der Fokus richtete sich auf Landschaften und – speziell – Blumen als, für die damalige Zeit, typisch weibliche Motive, allerdings völlig neu und dynamisch interpretiert. Echte Flower Power eben.
Die große Karriere einer selbständigen Frau
Ende des 19. Jahrhunderts konnten drei Frauen in der männlich-dominierten Kunstszene mehr als mithalten: Tina Blau, Marie Egner und – vor allem – Olga Wisinger-Florian (1844–1926). Die aus gutbürgerlichem Hause stammende und vielseitig begabte Olga Florian verfolgte zunächst eine Karriere als Pianistin, die sie 1874 wegen eines Handleidens abbrechen musste. Nach ihrer Heirat mit dem Wiener Apotheker Franz Wisinger wandte sie sich der Malerei zu und erhielt – wie in ihren Kreisen üblich – Privatunterricht. Finanziell abgesichert und obwohl sie es eigentlich nicht nötig gehabt hätte, strebte sie eine Karriere als professionelle Künstlerin an.
Ab den 1880er-Jahren gelang es Olga Wisinger-Florian als unabhängige Malerin Anerkennung und Bekanntheit zu erwerben. Nach nur acht Jahren ernsthafter künstlerischer Arbeit avancierte sie bereits zu den teuersten zeitgenössischen Landschaftsmalerinnen in Österreich. Diesen Marktwert konnte sie zeitlebens halten, ihn immer wieder auch steigern. Heute erzielen ihre Werke die höchsten Preise im Bereich der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts.
Die Blume als zentrales Motiv
Zwischen 1890 und 1892 widmete sich Olga Wisinger-Florian intensiv dem Bildprojekt „Die zwölf Monate“ – auf Holz gemalte Ölbilder, die die Natur im Wandel der Jahreszeiten abbilden. Der Zyklus markiert einen Höhe- und zugleich Wendepunkt am Ende ihrer ersten Stilphase, die vom Poetischen Realismus geprägt war. Das Projekt wurde 1893 in Wien, München und Berlin ausgestellt.
Im Mittelpunkt der Landschaftsmalerin stand immer die Blume, deren Darstellung sie nun vom Klischee der lieblichen Frauenmalerei befreite. Ihre Blumen standen nicht mehr für Romantik, sondern als Symbol für unabhängige und innovative Malerei. Sie trug die Farbe unvermischt, wenn nötig mit einer Spachtel statt eines Pinsels auf den Bildträger auf. Zur Steigerung der Dynamik ihrer expressiven Handschrift setzte sie ab 1900 mithilfe von Motiven wie Feldern, Alleen, Wasserläufen, aber auch Interieurs mit gedeckten Tischen den für das späte Werk der Künstlerin typischen extremen Tiefenzug ein.
An der Spitze
Als eine der ersten Frauen in der traditionell männlich dominierten Kunstwelt kämpfte sich Olga Wisinger-Florian trotz vieler Hürden bis an die Spitze. 1867 gegründet, etablierte sich das Künstlerhaus bald zur zentralen und lange Zeit einzigen Ausstellungsstätte mit Verkaufsmöglichkeit. Künstlerinnen wurde eine Mitgliedschaft nicht gewährt. Ihre Werke durften sie zwar für Ausstellungen einreichen, unter dem Vorsitz von Hans Makart (1880 – 1882) wurde ihnen allerdings der Zutritt zu den Eröffnungsfeierlichkeiten verwehrt. Ab 1883 jedoch war Wisinger- Florian bei jeder Eröffnung anwesend und nutzte die Veranstaltungen, um Präsenz zu zeigen, Kontakte zu knüpfen und ihre Kunst vorzustellen. Geschickt präsentierte sie sich und ihre Bilder. In ihrer großzügigen Wohnung hatte sie ein Atelier eingerichtet, das sie zum Unterrichten und zur Präsentation ihrer Gemälde nutzte. Sie positionierte sich und ihre Kunst als unverkennbare „Marke“.
Die Liste von Wisinger-Florians Kunden und Kontakten liest sich wie ein „Who-is-Who“ der damaligen Gesellschaft – von Baron Rothschild und der Apothekerfamilie Kwizda, über Industrielle wie Wilhelm Ritter von Guttmann oder Künstlerpersönlichkeiten wie Felix Weingartner, bis hin zum Hochadel, allen voran Erzherzog Carl Ludwig, Prinzregent Luitpold von Bayern oder Erzherzogin Clotilde, Prinzessin von Sachsen-Coburg. Sie alle schätzten und kauften ihre Kunst. 1886 wurde die Malerin im Rahmen der Künstlerhaus-Ausstellung sogar Kaiser Franz Joseph persönlich vorgestellt.
Olga Wisinger-Florian: Frauen-Netzwerkerin
In Europa entstanden im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zahlreiche Frauenvereine, darunter 1885 der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Wien. Schon im Gründungsjahr trat Wisinger-Florian bei, sie war in der Folge für 17 Jahre Präsidentin. Auch für die Friedensbewegung der Baronin Bertha von Suttner engagierte sich Wisinger-Florian und reiste als Delegierte zu den internationalen Friedenskongressen in Rom, Bern und Antwerpen, sowie nach Chicago, wo die Weltausstellung „World’s Columbian Exposition“ (The Chicago World’s Fair) stattfand. Erstmals im Rahmen einer internationalen Großveranstaltung legte man in einem Women’s Pavillon einen Schwerpunkt auf die Kunst von Frauen, darunter auch Wisinger-Florians Werke.
Gemeinsam mit Marie Egner und der Porträtmalerin Marianne von Eschenburg erdachte die begabte Netzwerkerin die Gruppenausstellungen der „Acht Künstlerinnen“, die zwischen 1901 und 1912 jährlich in der Wiener Galerie Salon Pisko mit wechselnder Besetzung stattfanden. Zudem soll 1910 die Ausstellung „Kunst der Frau“ in der Wiener Secession auf Wisinger-Florians Anregung hin von der neu gegründeten Vereinigung der bildenden Künstlerinnen Österreichs stattgefunden haben.
Das „schwache“ Geschlecht – ganz stark
Zu Lebzeiten staunte man über ihre „männliche Energie“, wunderte sich über die Fähigkeit einer Frau, „so malen zu können“, und lobte ihr „wahrhaft künstlerisches Naturell“. Losgelöst von diesen geschlechtsspezifischen Definitionen und im historischen Überblick stellt Olga Wisinger-Florian heute eine der auch international bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten an der Schwelle zur Moderne dar. Olga Wisinger-Florian zählt somit zu den ersten erfolgreichen Künstlerinnen, die die Kunstgeschichte der Frau ab Mitte des 19. Jahrhunderts repräsentieren.
Mein Fazit: Das Leopold Museum hat sich gekonnt einer Künstlerin gewidmet, die – trotz aller Berühmtheit zu Lebzeiten – heute weit weniger bekannt als ihre männlichen Zeitgenossen ist. Rund 120 Exponate – Gemälde, Fotos, Skulpturen u.v.m. – geben Einblick in ein faszinierendes Künstlerinnenleben, in einer Zeit, in der an Gleichberechtigung noch kein Gedanke verschwendet wurde. Ganz abgesehen von der gesellschaftlichen Ausnahme-Persönlichkeit, ist auch die künstlerische Entwicklung – vom traditionellen Stimmungs-Impressionismus zum modernen Farb-Expressionismus – beeindruckend und als prägend für nachfolgende Künstlerinnen und Künstler anzusehen. Sehenswert!
Olga Wisinger-Florian
Flower-Power der Moderne
https://www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/110/olga-wisinger-florian
bis 21. Oktober 2019
im
Leopold Museum
Museumsquartier
Museumsplatz 1
1070 Wien
Öffnungszeiten:
Täglich – außer Dienstag: 10.00 bis 18.00 Uhr
Donnerstag: 10.00 bis 21.00 Uhr
Juni, Juli, August: täglich geöffnet!
Ticketpreise:
Vollprreis: € 14,-
Ermäßigt (mit entsprechendem Ausweis): € 10,-
Daten- und Bildquellen: Copyright © Leopold Museum, https://www.leopoldmuseum.org/de
Mit bestem Dank für die freundliche Unterstützung!
Startfoto:
OLGA WISINGER-FLORIAN 1844–1926
Hortensien (aus Grafenegg), 1901
Öl auf Leinwand, 120 × 150 cm
Privatsammlung, Wien, Foto: Auktionshaus im Kinsky, Wien